In der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung ist ein Vorurteil weit verbreitet: Karl Marx stehe in der Tradition eines abendländischen Subjekt-Objekt-Dualismus, in dem die Menschen durch Arbeit
zu den einzigen gottesebenbildlichen Subjekten des Lebens und der Erde würden – er sei mithin, heißt es, in seinem Werk einem speziesistischen Arbeitsbegriff verhaftet geblieben und habe daher
nichtmenschliche Produktionsformen als minderwertige abwerten müssen. Marx‘ Ideen seien daher für die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung kaum fruchtbar zu machen, stünden ihren Zielen sogar
entgegen. Die Zusammenführung von Marxismus und Tierbefreiung erscheint vor diesem Hintergrund als ein müßiges Projekt.
Wir bestreiten dieses Vorurteil und meinen ganz im Gegenteil, dass Marx‘ einen nicht speziesistischen Arbeitsbegriff gebildet hat, indem er darstellte, was in einer Gesellschaft, in der die
kapitalistische Produktionsweise herrscht, gesellschaftlich als Arbeit gilt und was nicht. Entscheidend ist dabei nicht die Spezieszugehörigkeit, sondern die Einbindung der Menschen und Tiere in
die sozialen Verhältnisse, die dem Kapitalismus auszeichnen. Die Konsequenzen sind weitreichend: Indem Marx die gesellschaftlichen Funktionen der Lebewesen und ihre Stellung zum Kapital
aufzeigte, wies er auch den Weg zu ihrer Befreiung. Marxismus und Tierbefreiung haben daher sogar sehr viel miteinander zu tun.
Anhand bekannter und weniger bekannter Textpassagen wollen wir diese Thesen erläutern und diskutieren.
Veganer Lifestyle boomt. Immer mehr Einkaufsketten und Großunternehmen bieten vegane Lebensmittel an und investieren in »grüne Wachstumsmärkte«. In diversen Blogs und Hochglanz-Magazinen wird
Veganismus heiß diskutiert – gesund, sexy und nachhaltig konsumieren ist angesagt. Für die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung könnte das Interesse an fairen und »grünen« Produkten eigentlich
auch eine Chance auf mehr Reichweite und politische Strahlkraft sein, würde man meinen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der entpolitisierte Lifestyle-Veganismus bedroht ihre politische Substanz,
weil er die Argumente für veganen Lebensstil aufgreift und in marktkonforme Bahnen lenkt. Die Fleischindustrie hat es damit auch leichter, ihre mörderische Geschäftspraxis mit immer mehr
fleischlosen »Alternativen« zu kaschieren. Parallel gründen Berufsveganer wie Attila Hildmann oder Veganz-Gründer Jan Bredack ganze Karrieren und Unternehmen auf die Vermarktung des neoliberal
entpolitisierten Veganismus. Breiter Widerstand dagegen bleibt jedoch aus: einige Akteure der Bewegung biedern sich sogar den Lebensmittelmultis an und bewerben engagiert deren vegane Produkte,
während andere sich auf das Organisieren von zunehmend unpolitischen Konsum-Events wie Straßenfesten beschränken – statt die Forderung nach einem anderen gesellschaftlichen Umgang mit Tieren
wirklich politisch vorzutragen.
Im Workshop wollen wir zeigen, wie die Entpolitisierung des Veganismus funktioniert und vor welche Herausforderungen uns das stellt. Wir meinen: Will die Bewegung dem Trend etwas entgegensetzen,
muss sie sich vom Fokus auf individuelles Konsumverhalten lösen und eine antikapitalistische Politik entwickeln.