Workshops um 10:00 Uhr, Samstag 31. März 2018


Tierbefreiung – ein genuin linkes Projekt?

Der marxistische Philosoph Max Horkheimer beschrieb die Tiere in seinem Aphorismus »Der Wolkenkratzer« als Teil der Ausgebeuteten in der bürgerlichen Klassengesellschaft. Im Großteil der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung hält sich hingegen die Meinung, dass die Befreiung der Tiere keine Frage des Klassenkampfs sei und kein politisches Engagement gegen den Kapitalismus erfordere – oder es bleibt unklar, was genau unter »Kapitalismus« eigentlich zu verstehen ist. Aber kann eine liberale Ein-Punkt-Politik, welche nur die Tiere im Fokus hat, tatsächlich zum Erfolg führen? Oder hängt die Tötung von fühlenden Lebewesen, wie sie gegenwärtig etwa in Schlachthäusern millionenfach vollzogen wird, doch mit der vorherrschenden gesellschaftlichen Form der Produktion zusammen und muss deshalb mit einer weiterreichenden linken Strategie beantwortet werden?

Entlang dieser und weiterer Fragen soll im Rahmen der einführenden Veranstaltung darüber diskutiert werden, was Tierausbeutung ist und welche politische Stoßrichtung der Kampf dagegen hat bzw. braucht.


Die Fleisch-Hegemonie und der politisch-kulturelle Arm des deutschen Fleisch-Kapitals

Die Ausbeutung der Tiere und ArbeiterInnen durch die MagnatInnen der Fleischindustrie ist zwar vom Standpunkt der befreiten Gesellschaft ebenso wenig tolerierbar wie die der Menschen und der Natur. Sie ist aber – für einige Wenige – äußerst profitabel. Damit sich der Widerspruch zwischen den KapitalistInnen einerseits und den subalternen Klassen, den Tieren und der Natur andererseits nicht bis zum Äußersten zuspitzt, organisieren die willigen Helfer des Fleisch-Kapitals in Staat und Zivilgesellschaft die bürgerliche Fleisch-Hegemonie.

Staatsapparate, allen voran das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, der bürgerliche Parteienblock und die politischen Vorfeldorganisationen der Fleischindustrie, wie etwa der Verband der Fleischwirtschaft, gestalten Politik und Kultur derart, dass Teile der ausgebeuteten Klassen für das Schlachten gewonnen werden. Sie erhalten dabei tatkräftige Unterstützung aus der Wissenschaft und der Journaille, unter anderem von der Zeitschrift Fleischwirtschaft und der Allgemeinen Fleischer Zeitung (afz), den beiden Leitorganen der Branche.

Damit der Kitt zwischen den Klassen hält, machen die KapitalistInnen zum einen materielle Zugeständnisse, wie z.B. Billig-Fleisch für jedermann oder minimal höhere Löhne als in den peripheren Herkunftsländern für die »working poor« in den Schlachthöfen. Zum anderen entwickelt und propagiert das Konglomerat aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft politisch-ideologische sowie kulturelle Angebote: Es fördert eine Massenkultur, die lebbar und erstrebenswert für den »gemeinen Mann« ist – daher der Burger für Alle, der Protein-Fetisch, Grill-Boom und Fleisch als Symbol für Wohlstand und Teilhabe.

Von seinem fruchtbaren Boden in der Ökonomie werden wir einzelnen Verästelungen des Netzwerks nachgehen, das die Interessen des Fleisch-Kapitals in Politik und Kultur übersetzt.